PRESSE

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Unser Projekt Brauchse Jobb? Wir machen Kunst!/Erstes Oberhausener Arbeitslosen-ballett wurde erwähnt in "Theater der Zeit“ Heft02/2021 zum Thema Schwerpunkt Klassismus


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Brauchse Jobb? - Das Favoriten-Festival 2020 in Dortmund zeigt 

die Licht- und Schattenseiten von bezahlter und unbezahlter Arbeit

Dieser Ansatz, dass eine Produktion fortwährend im Fluss sein kann und sich vielleicht einem Ort oder auch einem Festival anpasst, findet sich auch in dem von Thomas Lehmen ersonnenen „Ersten Oberhausener Arbeitslosenballett“ wieder. Im Rahmen des Festivals gastierte er nicht einfach mit seiner in Oberhausen entstandenen Produktion, sondern probte und erarbeitete sie für Dortmund und die Favoriten noch einmal neu. Zu einigen der Arbeitslosen, mit denen er in Oberhausen eine Choreografie entwickelt hatte, die die Kunst als Gegenwelt zu unserem von Arbeit oder eben Arbeitslosigkeit geprägten Alltag feiert, kamen Dortmunderinnen und Dortmunder, die sich auf den Aufruf „Brauchse Jobb? Wir machen Kunst!“ hin gemeldet hatten.

Über dieser Performance, die ausgehend von zahlreichen Schlagworten wie Geld und Angst, Kunst und Arbeit jeder Performerin und jedem Performer die Freiheit ließ, ganz sie oder er selbst zu sein, schwebt zweifellos der Geist von Christoph Schlingensief. Wenn alle Beteiligten ihr persönliches Bekenntnis zur Kunst abgeben und dann etwas performen müssen, um einen Vertrag und fünfzig Euro auf die Hand zu kriegen, ist das natürlich eine ironische Abrechnung mit den Verhältnissen auf dem Arbeits(losen)markt. Zugleich erinnert diese Aktion aber auch an das „Nature Theater of Oklahoma“-Kapitel aus Franz Kafkas Roman „Der Verschollene“. Alle können teilnehmen, und jeder und jede kann sich auf eigene Art einbringen. Der eine rezitiert einen selbst geschriebenen Text, der andere singt einen Song, wieder andere spielen Instrumente. So wird die Kunst-Arbeit im „Ersten Oberhausener Arbeitslosenballett in Dortmund“ zu einer Form der Selbstermächtigung. Kunst, wenn sie so demokratisch ist, wie sie Thomas Lehmen versteht, befreit den Menschen von den Zwängen der Arbeitswelt und den Zumutungen der Arbeitslosigkeit.

(Sascha Westphal in "Theater der Zeit“ November 2020)


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(WAZ.20.10.2020)


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(WAZ.20.10.2020)


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Favoriten-Festival in Dortmund- Die freie Theaterszene trumpft auf

Die Künstlerinnen und Künstler des Favoriten-Theaterfestivals in Dortmund arbeiten wieder. Und Arbeit ist auch Thema des alle zwei Jahre stattfindenden Treffens: in all ihren Formen, darunter Arbeitsweisen, Verausgabung, Solidarität und Sorgearbeit.

Mit Mundschutz, Sporthosen und jeder Menge gute Laune machen sich die 16 Darsteller – schwarz, weiß, dick, dünn, groß und klein – in einem leer stehenden Ladenlokal in der Dortmunder Innenstadt vor der St.Petri-Kirche warm. Goldknisternde Wärmedecken hängen an den Wänden, Papp-Buchstaben von der Decke: ORDNUNG – GEMEINSAM – HIRN – NOTWENDIG, Assoziationen zum Thema Arbeit, die in den Proben entstanden sind. Jeder hier ist in den drei letzten Wochen zufällig über die Schwelle gestolpert, jeder erhält hier seinen eigenen Kunst-Moment:„Ich bin Tomek, bin aus Dortmund, bin neu dabei. Bin Lyriker und schreibe Texte… In der Kunst kommt man immer irgendwo an. Krieg ich dafür jetzt auch einen Vertrag?“ Nach dem Auftritt gibt es 50 Euro auf die Hand, und weiter geht es in einem fröhlichen, anarchischen Dilettanten-Abend, der sich zum Schluss in einem großen gemeinschaftlichen Tanz- und Musikrausch auflöst.

Arbeiten für die Kunst – und als Selbstermächtigung

Seit 2017 betreibt der Choreograf und Tänzer Thomas Lehmen das „Erste Oberhausener Arbeitslosenballett“. Für das Favoriten-Festival hat er es nach Dortmund verlegt. Alle Darsteller haben vorgeführt, was sie wollten. Und das Beste: Die Kunst-Arbeit eines jeden wurde vergütet. Zum Schluss legt sich jeder triumphierend eine Goldfolie um, als Umhang, Röcke oder Fantasierüstungen umfunktioniert: ein schönes Bild dafür, dass Kunst für alle da ist, unabhängig vom Privilegienstand oder vermeintlichen Kriterien wie Qualität oder Marktwert – die so als neoliberale Behauptungen entlarvt werden.

(Dorothea Marcus in „Deutschlandfunk Kultur“ 19.09.2020) 


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(bodo 31.07.2020)


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(NRZ 22.07.2020) 


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(Arnd Wesemann in „tanz“ April 2019)

schlingensiefs nachfolger________ das erste oberhausener arbeitslosen-ballett 

Der berühmteste Sohn der Ruhrgebietsmetropole Oberhausen heißt Christoph Schlingensief. Der 2010 gestorbene Künstler lud die damals sechs Millionen Arbeitslosen zum Baden ins Urlaubsdomizil von Ex- Bundeskanzler Kohl am Wolfgangsee ein, gründete die Obdachlosenpartei «Chance 2000» und errichtete zu den «Wiener Festwochen» ein Container- dorf für Asylbewerber, die nach dem Vorbild von «Big Brother» durch tägliche Abstimmungen hinauskomplimentiert wurden. Der bekannteste Choreograf der Stadt Oberhausen, Thomas Lehmen, tritt nun in seine Fußstapfen. Lehmen hat die erste aus Arbeitslosen bestehende Tanzkompanie der Republik gegründet. Geprobt wird standesgemäß in einem Jugend- zentrum und im Vereinshaus des CVJM. Dreizehn Mitglieder hat die Truppe zur Zeit, bezahlt wird sie auch, und das ist das Problem für alle Beteiligten. Denn wer als Arbeitslosengeld-2-Bezieher mehr als 100 Euro im Monat einnimmt, darf nur zehn Prozent behalten und muss den Rest ans Jobcenter zurückzahlen. Der Versuch, die Kunstaktion als Fortbildungsmaßnahme zu deklarieren, scheiterte am deutschen Sozialgesetzbuch, weil Kunst nicht vorgesehen ist.

Kurzerhand hat Lehmen seine Arbeitslosen und sonstige zwischen die Stühle gerutschte Teilnehmende zu «göttlichen Wesen» erklärt, die aus ihren tatsächlichen Fähigkeiten – keiner von ihnen ist Tänzer – ihr Bewegungsmaterial entwickeln, um lautstark und tanzwütig ihr großes Problem zu thematisieren: nicht arbeiten zu dürfen. Mit dem Slogan «Brauchse Jobb? Wir machen Tanz!» zeigt der Choreograf den Widerspruch auf zwischen Regelsatz und der Unterbindung künstlerischer Arbeit zum gesetzlich bestimmten Mindestlohn. Diesen staatlich geregelten Widerspruch kann nur das Land NRW lösen: indem es die Truppe künftig finanziert. 

Arnd Wesemann  april 2019___tanz 21

TANZ-ARBEIT-OBERHAUSEN 2022